Ich hatte keinen Grund, mich heute von diesem Regen unterkriegen zu lassen. Nicht heute, denn an diesem Tag war für mich ein Kapitel zu Ende, weshalb Leute schon schwul geworden sind, sich umgebracht haben, in dem der Großteil zugrunde geht, bei dem man meist seine feste Freundin verliert, um sie gegen viel zu viele lockere und unwesentliche Bekanntschaften einzutauschen, und in dem man viel zu viele Idioten trifft, die auch noch ständig versuchen, aus Dir einen Kameraden zu machen –
Die Armee!
Nun saß ich hier in einem dieser sinnvollen Zugabteile, die mich manchmal schon fast zum Wahnsinn getrieben haben. Nicht weil sie alle gleich blöd aussahen oder weil sie meist so ekelig nach irgendetwas Undefinierbarem stanken. Aber wenn man ungefähr 35 Stunden im Monat damit verschwendet, in diesen 3×2 Meter Dingern rum zu juckeln, da kann einem nach einem Jahr Tortur schon das Kotzen kommen, wenn man auch nur einen Zug von weitem sieht.
Öde Landschaft, immer dasselbe, verwischt, grün und sowieso viel zu langweilig. Aber heute war der Tag, an dem mich das alles nicht im Geringsten tangierte. Vor ungefähr acht Stunden hatte ich den Spieß gedanklich das letzte Mal in seinen fetten riesigen Arsch getreten und war dann mit einem mitleidig-
Auf dem Ex-
„Ihr könnt froh sein, daß ihr den Scheiß bei schlechtem Wetter macht und nicht, wie ich damals in meiner Grundi, bei 30 Grad im Schatten. Da würdet ihr wirklich gekocht“, dachte ich, als ich den Haufen fluchen hörte.
Irgendwie hatte ich aber doch immer Mitleid, wenn ich die Frischlinge bei ihrer Ausbildung beobachtete, aber andererseits dachte ich immer ein bißchen egoistisch, –
Meine Einstellung zur Armee war sowieso sehr chaotisch, ich kann nicht sagen, daß das die Zeit meines Lebens gewesen ist, aber daß wir uns eine Armee halten, der Luxus find ich, muß schon sein. Luxus deshalb, weil bei der Armee ein Geld verpulvert wird, daß man wahrlich das Hosenflattern bekommen kann. Überlegt man nur mal, was für das Klopapier für ca. 400.000 Mann drauf geht. Wenn man die Summe auf ein Jahr hochrechnet, kann einem schon schwindelig werden…
Aber wollen wir den Verteidigern unseres hochgeliebten Vaterlandes denn das Scheißen verbieten?
Hoffentlich nicht, das hält man nämlich nicht lange durch, hab ich schon probiert.
Unser Wachtposten stand in seinem Unterstand und guckte ganz bedrückt, das Wetter machte ihm zunehmend Sorgen, wahrscheinlich sah er sich schon am nächsten Tag mit einer wunderbaren Erkältung im Bett liegen. Als ich an ihm vorbei wollte, hellte sich seine Miene allerdings sichtlich auf.
Bestimmt war ich der erste Mensch, den er heute gesehen hatte; die anderen Idioten, die an diesem Tag schon an ihm vorbei gekommen waren, konnte man nicht dazu zählen. Außerdem hatte unser Haufen schon immer eine Sonderstellung in der Kaserne. Unser Seenot-
Man erkannte uns schon von weitem an unserem Abzeichen auf dem Ärmel und unserem Oliv. Tatsächlich war das hier nämlich eine Marinekaserne, wo alle dunkelblau trugen. Wir allerdings waren Marineflieger –
Wir waren die ungekrönten Könige der Insel. Ich hatte nämlich das Glück oder Pech, auf einer Urlaubsinsel stationiert zu sein. Jawohl, eine Urlaubsinsel.
Na ja, jedenfalls genoß ich meine Privilegien und nutzte sie aus, wo ich nur konnte. Da wir zur SAR gehörten, fielen wir so oder so aus der Reihe. Wir wurden von allen geachtet, weil wir Menschenleben retteten, und zudem hatten wir den stressigsten Job von allen. 24 Stunden, rund um die Uhr mußten wir einsatzbereit sein. Das war vielleicht eine Scheiße, wenn man um ca. 3 Uhr nachts gerade im schönsten Traumland war und dann ein beschissener Einsatz kam. Innerhalb weniger Sekunden aus dem Bett springen und loslegen. Einmal hätte ich fast gekotzt. Und das nicht zum Scherz… am nettesten waren die Einsätze, die mitten in der Nacht begannen und bis zum nächsten Morgen dauerten. Dann brauchte man sich wenigstens keine Illusionen mehr auf ein bißchen Schlaf zu machen.
„Ich wünsch Dir was, wahrscheinlich sehen wir uns nie wieder, Alter“, sagte ich zu ihm, als er vor mir salutierte, obwohl ich ja gar keine Uniform mehr trug.
„Na, geht’s endgültig nach Hause?“
„Jawoll und zwar zurück zur Menschheit, hab ich lang genug drauf gewartet.“
„Grüß mir die freie Welt.“
„Mach ich, Alter, ich werd Dir ´nen Platz draußen frei halten.“
Jetzt hatte ich nur noch 2 ½ Stunden Fährfahrt vor mir. Oh, dafür haßte ich diesen Scheißhaufen. Mit unserem SeaKing brauchten wir für dieselbe Strecke gut 10 Minuten, und trotzdem mußte ich jedes Mal mit dieser scheiß Fähre fahren. Diese bekloppten Bürokraten; wie ich sie manchmal haßte. Grausam.
Als ich dann endlich runter war von meiner Robinson-
Vor allem genoß ich es, nicht mehr von irgendwelchen vorgesetzten Idioten abhängig zu sein. Wenn man bedenkt, daß ich Dienstgradniedrigster, aber der einzige mit Abitur war, könnten einem noch jetzt die Tränen kommen. Als „Junior“ mußte ich natürlich, theoretisch, vor jedem noch so dummen Arsch auf die Knie fallen. Aber ich war ja nicht bekloppt, wozu hatten wir auf dem Gymnasium denn das Diskutieren gelernt? Deshalb hatte ich ja auch andauernd Ärger in diesem Verein. Na ja, man konnte seine Vorgesetzten zwar nicht belehren, aber wenn man ihnen von Zeit zu Zeit zeigte, wie dumm und ungebildet sie waren, brachte das auch schon eine gewisse Genugtuung. Zumindest für kurze Zeit.
(© Mac McLaw – aus: »Dreamhunter« – Ur-Fassung, 1. Auflage)